Adresse: Am Stallhübel 4, 01824 Königstein (OT Pfaffendorf)
Struktur: Ex-SSS, unorganisierte Naziszene
Nutzung: Kneipe, Partys
Über den „Clubraum“ der Neonazis dringt nur wenig an die Öffentlichkeit. Dennoch ist er nicht nur als Infrastruktur in der Region relevant, es geht auch konkrete Gefahr von der Location aus, wie der „Männertag“ 2020 gezeigt hat.
Seit dem 21. Mai 2020 ist die Existenz des Nazi-Treffs im Königsteiner Ortsteil Pfaffendorf deutlich bekannter geworden. Eine sogenannte „Männertags“-Party, die von über 50 Nazis besucht wurde, eskalierte und löste einen massiven Polizeieinsatz aus. Aufgrund lauter Rechtsrock-Musik und entsprechendem Gegröle, riefen Nachbar*innen die Polizei. Die war zunächst nur mit wenigen Beamt*innen vor Ort und wurde beim ersten Versuch, die feiernden Nazis in ihre Schranken zu weisen, von diesen u.a. mit Holzlatten und Metallstangen bewaffnet, angegriffen. Die hinzugezogene Verstärkung konnte noch ca. 30 verbliebene Nazis vorläufig festnehmen und deren Identitäten feststellen. In der Folge kam es zu Gerichtsverfahren gegen 10 Männer.
Im „Clubraum“ wurde allerlei Propagandamaterial vorgefunden, das auf eine regelmäßige, ähnliche Nutzung der Location schließen lässt: ein Stahlhelm mit SS-Runen, eine Bank mit einer aufgebrachten „88“, eine Uhr mit der Aufschrift „Blutzeugen“ und eine SS-Plakette „Totenkopf“. Darüber hinaus wurden neben einer Übungshandgranate und einem Einhandmesser auch Drogen gefunden.
Bereits einen Monat zuvor, am 20. April 2020, rückte die Polizei wegen lautstarker Nazi-Musik auf dem Grundstück an. Auch aus den Vorjahren sind rechte Feier-Aktivitäten in Pfaffendorf bekannt, jedoch ohne eindeutig belegte Verbindungen zu diesem Treffpunkt.
Die Adresse in Pfaffendorf führt zum seit Jahren einschlägig bekannten Nazi Lars Ulbrich. Dieser wohnt in einem der Gebäude auf dem Gelände, außerdem befindet sich dort der Sitz seiner Firma „Demontage und Metallhandel Lars Ulbrich“.
Ulbrich war bereits in den 90er Jahren Mitglied der „Skinheads Sächsische Schweiz“ (SSS) und an mehreren von deren Aktionen beteiligt, etwa am brutalen Überfall auf den Jugendclub Gohrisch im Jahr 1998. Er gehörte ebenfalls zum Umfeld der sächsischen „Hammerskins“ und war in deren Substruktur „Crew 38“ organisiert. Ulbrich nahm 2015 an einer HoGeSa-Veranstaltung teil, genauso wie am sogenannten „Trauermarsch“ der AfD nach dem Tod von Daniel H. auf dem Stadtfest im Sommer 2018 in Chemnitz. Ulbrich ist mehrfach wegen Körperverletzungsdelikten und einschlägigen Szene-Straftaten, wie dem Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, vorbestraft.
Neben Ulbrich wurden beim Polizeieinsatz im Mai 2020 noch drei weitere ehemalige SSS-Angehörige festgestellt, laut Presse war mindestens die Hälfte der festgestellten Personen der Polizei bereits einschlägig bekannt.
Die Verfahren gegen zehn der festgestellten Personen zogen aufgrund langer Verfahrensdauer, wegen Erinnerungslücken der eingesetzten Polizist*innen, sowie wegen unsauberer Ermittlungsarbeit lediglich zwei Verurteilungen nach sich. Vier Verfahren wurden gegen Auflagen eingestellt, vier Personen, darunter Ulbrich, wurden freigesprochen.
Einer der Angeklagten war Enzo Kleist, Gründungsmitglied der SSS und inzwischen jahrzehntelang aktiv in der regionalen Naziszene. Kleist nahm über die Jahre an einer Vielzahl von Naziveranstaltungen in Sachsen und darüber hinaus teil: neben dem „Trauermarsch“ um den 13. Februar in Dresden, etwa auch an der jährlichen Nazi-Wander-Veranstaltung „Ausbruch 60“ in Budapest. Er war wie Ulbrich 2018 in Chemnitz dabei. Kleist war Beschuldigter im SSS-Verfahren, gegen ihn wurde außerdem bereits wg. Verstoß gegen das Waffen- und Sprengstoffgesetz ermittelt.
Ebenfalls angeklagt wurde der bekannte Dresdner Nazi Rüdiger Ebbers. Auch er ist bereits seit Jahrzehnten in der regionalen Nazi-Szene aktiv und besucht in Dresden und Umgebung regelmäßig Nazidemos. In den 90ern war Ebbers Beschuldigter im §129-Verfahren gegen das sog. „Thule-Netz“, 2017 stand er wegen des Vorwurfs der gefährlichen Körperverletzung vor Gericht. Ebbers, breit wie hoch, konnte sich aufgrund seiner auffälligen Statur einer Verurteilung nicht entziehen, er bekam ein Jahr, ausgesetzt zur Bewährung und eine Geldstrafe.
Festgestellt, jedoch nicht angeklagt, wurde der seltener auffällige Nazi Jens Kirchbach. Kirchbach betrieb in den 00er Jahren in Pirna das Restaurant „Schnitzel-Schmiede“ zusammen mit anderen Nazis. Seiner Mutter soll ein Objekt in Pirna gehört haben, welches von der loklalen Szene als Lagerraum genutzt wurde und in dessen Nähe Parties stattfanden. In der Presse zum Verfahren um die Männertagsparty werden Kirchbach internationale Verbindungen als Strippenzieher bei Rechtsrock-Konzerten nachgesagt.
Mindestens vier der Nazis auf der „Männertagsparty“ gehörten früher der Gruppierung „Skinheads Sächsische Schweiz“ an, die in der zweiten Hälfte der 90er Jahre als Nachfolgeorganisation der „Wikingjugend“ entstanden war. Mit zeitweise über 100 Mitgliedern war die SSS verantwortlich für eine Vielzahl von Überfällen und etablierte mit Straßengewalt im Landkreis Sächsische Schweiz No-Go-Areas für Menschen, die nicht ins Neonazi-Weltbild passen. Sie verfolgten äußerst gewalttätig den Plan der Errichtung einer „National befreiten Zone“ in der Region. Nach dem Verbot 2001 wurde die Organisation so offensichtlich fortgeführt, dass es sogar zu einem weiteren Verfahren wegen ebendieser Fortführung kam. Auch wenn die Struktur heute so nicht mehr existiert, gehören die ehemaligen Mitglieder dennoch bis heute zum Rückgrat rechter Netzwerke in der Region. Auch das nahegelegene „Haus Montag“ in Pirna wird von ehemaligen SSS-Mitgliedern betrieben.
Laut Anwohner*innen gibt es noch etliche weitere Orte wie diesen in der Region.